Gründe für eine Kastration, sowohl beim Rüden, als auch bei der Hündin gibt es viele, gut sind sie aber selten.
Vor allem, wenn damit das Verhalten des Hundes beeinflusst werden soll.
Die Kastration von Rüden ist ein Thema, das oft von Missverständnissen geprägt ist.
Viele Menschen, einschliesslich Tierärzte und Hundetrainer, glauben fälschlicherweise, dass die Kastration eine universelle Lösung für verschiedene Verhaltensprobleme ist.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass eine Kastration keine adäquate Alternative zu einer fundierten Verhaltenstherapie darstellt.
Die Probleme, die häufig mit Sexualhormonen wie Testosteron in Verbindung gebracht werden, können oft aus anderen Ursachen resultieren und sind nicht zwangsläufig durch eine Kastration zu beeinflussen.
Wenn Sie über die Kastration Ihres Rüden oder Ihrer Hündin nachdenken, ist es ratsam, sich umfassend zu informieren und die Vor - und Nachteile abzuwägen.
Eine fundierte Entscheidung kann nur getroffen werden, wenn man die individuellen Bedürfnisse des Hundes und die spezifischen Verhaltensprobleme berücksichtigt.
Der Hund ist Geschlechtsreif, pöbelt andere Hunde an, markiert ständig, stellt seine Ohren auf Durchzug oder ist sogar aggressiv? Die Nerven liegen blank, Gassigänge werden zur Qual oder man verliert sogar die Freude am Hund?
Schnell stellt sich dann die Frage für eine Kastration, um Problemverhalten möglichst schnell und einfach abzustellen.
Der Eingriff sollte gut überlegt sein und hat einen merklichen Einfluss auf den gesamten Hormonhaushalt des Hundes.
Das Hormonssystem kann wie bei uns Menschen als Zahnrad beschrieben werden. Direkt oder indirekt, stehen alle Zahnräder (Hormone) miteinander in Verbindung. Wird auch nur an einem Zahnrad gedreht, ändert sich das gesamte System.
Das Lahmlegen des Sexualtriebes ändert längst nicht alle störenden Verhaltensmuster des Hundes.
Es beeinflusst lediglich das Verhalten, welches durch die Sexualhormone ausgelöst wird.
Solche Veränderungen am Hormonhaushalt sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Bei der Kastration wird die körpereigene Produktion der Sexualhormone (männl. Testosteron, weibl. Östrogen) künstlich heruntergefahren und der Testosteronspiegel im Blut sinkt dauerhaft. Die Sexualhormone erfüllen im Körper viele wichtige Funktionen.
Die Frühkastration, also die Kastration von Hunden vor dem Ende der Pubertät, sollte kategorisch abgelehnt werden.
Diese Praxis, die vor allem aus den USA zu uns herübergeschwappt ist, hat gravierende negative Auswirkungen auf die betroffenen Tiere.
Es ist erwiesen, dass frühkastrierte Hunde häufig aggressiver gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen werden und insgesamt unsicherer im Umgang mit anderen Hunden sind.
Darüber hinaus bleibt die körperliche Entwicklung dieser Hunde oft zurück, und sie erreichen nie das volle Mass an geistiger Reife.
Dies liegt daran, dass sich das Gehirn während der Pubertät unter dem Einfluss von Sexualhormonen weiterentwickelt.
Eine Frühkastration kann diese wichtige Phase der Entwicklung stören und langfristige Folgen für das Verhalten und die Gesundheit des Hundes haben. Daher ist es ratsam, die Kastration erst nach Abschluss der Pubertät (wenn überhaupt) in Betracht zu ziehen, um die bestmögliche Entwicklung des Tieres zu gewährleisten.
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Kastration ein Aggressionsverhalten bei Hunden effektiv beseitigen kann. In Wirklichkeit ist dies nur in sehr selten der Fall.
Aggression ist kein einheitliches Verhalten, sondern ein komplexes Mehrzweckverhalten, das in unterschiedlichen Kontexten auftritt.
Es ist wichtig, eine genaue und differenzierte Analyse des spezifischen Verhaltens durchzuführen, um die zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen.
Aggression kann oft als Reaktion auf störende oder als gefährlich empfundene Umweltfaktoren interpretiert werden.
Daher ist es entscheidend, die individuellen Umstände und Auslöser für das Aggressionsverhalten zu erkennen, anstatt sich auf eine chirurgische Lösung zu verlassen.
Aggression, die aus Angst oder Futterverteidigung resultiert, ist ein komplexes Verhalten, das häufig als Problemlösungsstrategie erlernt wird.
Eine fundierte Verhaltenstherapie kann oft viel effektiver sein, um das Verhalten des Hundes zu verbessern.
Angstaggression ist tatsächlich eine häufige Form der Aggression von Hunden, und es ist wichtig zu wissen, dass eine Kastration in solchen Fällen kontraindiziert ist!
Der Grund dafür ist, dass die Angst- und Panikreaktionen bei Tieren oft mit dem Stresshormon Cortisol zusammenhängen.
Das männliche Sexualhormon Testosteron kann die Cortisolausschüttung hemmen, was angstlösend wirkt und das Selbstbewusstsein des Tieres steigert.
Ein ängstlicher oder angstaggressiver Hund sollte keinesfalls kastriert werden.
Ängste, unterschiedliche Aggressionsformen oder Unsicherheiten können durch eine Kastration sogar noch verstärkt werden.
Wenn man einem Tier die Sexualhormone entzieht, kann das zu einer erhöhten Unsicherheit führen und das aggressive Verhalten verschlimmern.
Daher sollte die Entscheidung zur Kastration bei Tieren, die unter Angstaggression leiden, sehr sorgfältig und individuell getroffen werden, insbesondere bei Tierheimhunden, die bereits durch Veränderungen in ihrer Umgebung gestresst sind.
Besonders bei Hündinnen kann es zu einer Verschlimmerung oder dem Auftreten von Aggression (Ressourcen-Aggression) nach einer Kastration kommen.
Markieren, territoriale Aggressionen, ausgeprägtes Jagdverhalten, aufreiten, Leinengezerre etc. kann durch eine Kastration ebenfalls nicht behoben werden.
Es ist wichtig, das Verhalten von Rüden (und auch Hündinnen) im Zusammenhang mit Hypersexualität genau zu verstehen.
Oft ist das Aufreiten nicht unbedingt ein Zeichen von sexuellem Interesse, sondern kann auch als Übersprungshandlung oder Stressabbau interpretiert werden. In vielen Fällen geschieht es auch im Spiel mit anderen Hunden.
Wenn man eine Kastration in Betracht zieht, ist es gut zu wissen, dass auch kastrierte Rüden in der Nähe von läufigen Hündinnen weiterhin sexuelles Verhalten zeigen können, da das Gehirn bei solchen Aktivitäten Dopamin ausschüttet, was ein belohnendes Gefühl erzeugt.
Eine Kastration sollte daher nur in Erwägung gezogen werden, wenn das Verhalten tatsächlich sexuell motiviert ist.
Das Thema Dominanz bei Hunden ist tatsächlich sehr komplex und oft missverstanden.
Es ist wichtig zu betonen, dass Dominanz keine feste Eigenschaft eines Tieres ist, sondern vielmehr eine Beziehung, die sich zwischen Hund und Halter entwickelt.
Ein wirklich dominantes Tier zeigt Souveränität und benötigt keine Aggression, um seine Interessen durchzusetzen.
Wenn ein Hund Verhaltensweisen zeigt, die als "dominant" wahrgenommen werden, kann das oft auf einen Mangel an klarer Führung seitens des Halters hinweisen.
In solchen Fällen ist es nicht zielführend, eine Kastration in Betracht zu ziehen, da diese das zugrunde liegende Problem nicht löst.
Stattdessen sollte der Fokus auf der Verbesserung der Führungskompetenz des Halters liegen, um eine harmonische Beziehung zu fördern.
Aus verhaltensbiologischer Sicht ist eine Kastration nur dann sinnvoll, wenn es sich um eine echte Statusaggression handelt oder sich der Hund durch seine Sexualhormone "im Weg steht" (Hypersexualität) und dadurch das hundliche Wohl beeinträchtigt wird.
Bei akuten medizinischen Problemen muss sogar sofort eingegriffen werden.
Ob eine vollständige Kastration bei Verhaltensauffälligkeiten in Frage kommt, lässt sich durch eine chemische Kastration mittels Chip überprüfen.
Der Chip sorgt dafür, dass der Testosteronspiegel im Blut des Hundes stetig abnimmt.
Die Wirkung hält je nach Chip zwischen sechs und zwölf Monate an. Über diese chemische Kastration können Sie feststellen, ob die erhoffte Verhaltensveränderung beim Rüden eintritt oder ob die Ursachen für dessen auffälliges Benehmen doch ganz woanders liegen.
Auch für Hündinnen gibt es Möglichkeiten einer chemischen Läufigkeitsunterbindung, durch Spritze oder Chip.
Hier ist allerdings der richtige Zeitpunkt der Implantierung zwischen den Läufigkeitsphasen entscheidend.
Verschiedene Studien belegen, dass es nach einer Kastration vermehrt zu Nebenwirkungen kommen kann, wie zum Beispiel:
• erhöhtes Risiko für unterschiedliche Krebsarten (Lymphdrüsenkrebs, Knochenkrebs Prostatatumore)
• Schilddrüsen-Unterfunktion
• Neigung zur Fettleibigkeit
• verminderte Aktivität
• Veränderungen des Fells
• Inkontinenz
• Verlust kognitiver Fähigkeiten im Alter
Bei Frühkastration (vor Beginn der Pubertät):
• verlängertes Knochenwachstum
• degenerative Gelenkserkrankungen (Hüft - und Ellenbogendysplasie, Patellaluxationen, Kreuzbandriss)
• Herz - Kreislauferkrankungen (das Herz wächst nicht mehr richtig mit)
• geschwächtes Immunsystem / erhöhte Infektneigung
Nur von den Sexualhormonen gesteuertes Verhalten ist durch eine Kastration beeinflussbar!
Das Verhalten von Hunden in stressigen Situationen wird oft durch die Hormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin beeinflusst, und nicht durch Sexualhormone wie Testosteron.
Eine Kastration sollte hierbei nur in Betracht gezogen werden, wenn das Verhalten des Hundes tatsächlich sexuell motiviert ist.
In bestimmten Einzelfällen, wie bei Herumstreunen in Anwesenheit läufiger Hündinnen oder bei echter Hypersexualität, kann eine Kastration sinnvoll sein, vorausgesetzt, das Verhalten wird eben durch die Sexualhormone beeinflusst und ist noch nicht erlernt.
Allerdings sollte eine Kastration niemals als Ersatz für eine Verhaltenstherapie betrachtet werden. Es ist also wichtig, die individuelle Situation des Tieres zu berücksichtigen.
Für Hundebesitzer ist es entscheidend, in solchen Situationen Sicherheit zu bieten, anstatt auf hormonelle Eingriffe zu setzen. Ein individuelles Verhaltenstraining kann helfen, das Verhalten des Hundes zu verbessern und die Führungskompetenz des Halters zu stärken.
Copyright © 1x1 Hundetraining 2011 - 2025: Regionale Hundeschule Rheintal SG - Liechtenstein - Buchs und Umgebung.